Abb. 1 Bakteriengemeinschaft.
Theater als empathische Anstalt
«Es geht darum, wie eine Form von Verbindung von echter Empathie und Intimität auf der Bühne hergestellt werden kann, die über die Machtverhältnisse hinausweist (…). Das macht das Theater heutzutage politisch, dass wir als Körper einander ausgeliefert sind, dass wir für einen Moment die gleiche Luft atmen, dass wir uns in die Augen schauen und verstehen, ‹ecce homo› da ist ein Mensch, und hier ist auch ein Mensch.»
Öziri, Necati (2022): Theater als Empathische Anstalt. In: Sharifi, Azdeh/Lisa Skwirblies (Hg.): Theaterwissenschaft Postkolonial/Dekolonial: Eine Kritische Bestandsaufnahme. Bielefeld.
Öziri, Necati (2022): Theater als Empathische Anstalt. In: Sharifi, Azdeh/Lisa Skwirblies (Hg.): Theaterwissenschaft Postkolonial/Dekolonial: Eine Kritische Bestandsaufnahme. Bielefeld.
Saallicht
Normalerweise hocke ich hier ohne dich.
Dann verschmelze ich im Dunkeln mit dem roten Sessel und dem Parkettboden.
Ich werde Teil des Pfauen-Inventars.
Aus diesem sicheren Versteck treten meine Augen wie Laser hervor und tasten die Körper ab, die sich schutzlos über die erleuchtete Bühne bewegen.
Heute ist anders.
Du bist da und erinnerst daran, dass an diesen Augen auch ein Körper hängt.
Du setzt ihn in Relation zu den anderen Körpern in diesem Raum.
Ich spüre Verantwortung.
Körper fragen und Körper antworten.
Ein fremder Körper neben mir, hält sich am Polster fest.
Wird langsam weich.
Lächelt mich an.
Heute trete ich verändert in die Nacht hinaus.
In meiner Hosentasche eine Nummer, die ich bald anrufen werde.
Überarbeitete Feldnotiz Milena Schmid vom 17.03.24.
Abb. 2 Überschneidungen.
Multiple Öffentlichkeiten
«Ich glaube, das Theater ist ein Beispiel von einem Ort, an dem sehr viele verschiedene Öffentlichkeiten stattfinden können und sollen. Die gängigste Vorstellung ist: Es ist ein Stadttheater und deshalb kommen jederzeit alle zusammen. Und das ist irgendwie nicht so ganz ein zeitgemässes Verständnis davon, wie viele verschiedene Öffentlichkeiten bestehen können und dass es auch gut ist, dass diese bestehen.»
Interview ehemaliger Mitarbeiter Schauspielhaus (anonymisiert), 08.05.24.
Abb. 3: Gleichzeitigkeit.
Schamkörper
LUKAS: «Ja verdammt, mit einem freien Arsch durchs Leben gehen! Aber dafür müssen wir uns erstmal den Finger der Scham aus dem Arsch nehmen und uns eingestehen, dass diese angstbesetzten Körper noch immer nicht unsere sind. Ich weiss keine Sprache für diesen Körper. Ich stehe hier in einer Fremdsprache. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, warum wir hier sind. Aber aus unseren Händen kommen nur Bruchstücke, deren Kanten so versplittert sind, dass sich daraus keine schöne, smoothe, packende, glatt polierte Geschichte bauen lässt. Vielleicht bin ich hier auf der Suche nach einer Fremdsprache, in den Wörtern, die mir zur Verfügung steht.»
Böhm, Leonie/Helena Eckert und Ensemble (2024): Blutstück (unveröffentlicht). Fassung vom 01.03.24. S.6.
Abb. 4: Körper-Bausatz.
Löcher im Palast
«Das Stadttheater ist im klassischen Sinne auch ein Palast eines Bildungsbürgertums. Und ich finde, im gegenwärtigen Verständnis von Gesellschaften sollten auch möglichst viel Brücken und Tore und Löcher in diese Mauer geschlagen werden – metaphorisch – damit das Theater eben auch zugänglich ist für andere Gesellschaftsgruppen.»
Interview ehemaliger Mitarbeiter Schauspielhaus (anonymisiert), 08.05.24.
Abb. 5: Zwischenräume.
Pfauenessen
«Wenn man das Theater als einen Community-Akt verstehen will, dann frage ich mich, was hat der Raum für eine Funktion? Wie muss man Theater machen? Ich glaube, ich denke dort anders, weil ich vermittlerisch denke und für mich scheiterts dann eigentlich schon daran, wie Theater an sich gedacht wird. Das heisst, ich müsste eigentlich ein Essen machen. Und das fände ich natürlich grossartig! Ich hatte dann so Bilder: Die Bühne des Pfauens würde sich über diese Stühle unten erstrecken und man hätte eine riesige Tafel und alle würden zusammen daran sitzen.»
Interview Andrea Rickhaus, Kunstschaffende, 20.03.24.
Abb. 6: Der Pfauen als geselliges Varietétheater Ende des 19Jhds mit Tischen und Stühlen im Parkett.
Breaking the spell
SASHA:
«We need an alphabet/language that narrates other, hyperreal, utterly needed stories. Our stories with the power of the low, the dark, the earth; the power that arises from our blood, and our lives, and our passionate desire for each other’s living flesh. Like a counterspell. And I want us to tell them/invent them with enough intensity and focus so that we start to believe in them in order to break the spell that binds us to the ‹old/former› alphabeth.»
«We need an alphabet/language that narrates other, hyperreal, utterly needed stories. Our stories with the power of the low, the dark, the earth; the power that arises from our blood, and our lives, and our passionate desire for each other’s living flesh. Like a counterspell. And I want us to tell them/invent them with enough intensity and focus so that we start to believe in them in order to break the spell that binds us to the ‹old/former› alphabeth.»
Blutstück 2024, S.20.
Abb. 7: Ordnung.
Immersion durch Interaktion
«In jeder Form von Erzählung steckt immer die Möglichkeit oder die Sehnsucht, eine andere Erfahrung zu machen. Und das geht einher mit dem ‹Auf-sich-zurückgeworfen-sein› im Theater. Ich kann im Theater sitzen und plötzlich darüber nachdenken, was die queeren Anteile in mir sind. Denn ich glaube, dass das Theater das Potenzial hat, darin eine aufregende Erfahrung zu machen mit etwas, das mir selbst unbekannt ist. Dafür braucht es ein offenes Publikum und es braucht Zeit, um sich auf das Unerwartbare einzulassen und damit anzufangen, zu erwarten, dass man nicht weiss, was man bekommt.»
Interview Helena Eckert, Dramaturgin Blutstück, 22.05.24.
Abb. 8: Affekte.
Neugier
GRO:
«Wir waren das Urmeer, wir waren 37 Grad warm, körperlos und frei. Es gab eine grosse Hoffnung, aber auch ein grosses Risiko, aber wir waren bereit, es einzugehen. Wir waren bereit, das Risiko einzugehen, Arschlöcher zu haben, in denen Dinge stecken bleiben können, weil das Versprechen so gross war: Das Versprechen auf einen eigenen Körper, sich unterscheiden zu können, eine Identität zu haben, sagen zu können, das bin ich und das bist du, das ist der Raum zwischen uns, hallo.
(…)Die Neugier ist die stärkste Kraft von allen, die Neugier kann alles überwinden, scheiss auf die Liebe, die vergeht, Neugier ist viel wichtiger. Also sind wir an Land gegangen und haben Körper bekommen. Wir wurden Grossmeere mit Gliedmassen und sie waren wunderschön.»
Blutstück 2014, S.9.
Abb. 9: Schwelle.