Verlernen




Das Konzept des ‹Verlernens› geht auf die Literaturwissenschaftlerin und postkoloniale Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak zurück und ist vielfach von Kulturwissenschaftler:innen aufgegriffen worden. Zunächst geht es darum zu begreifen, dass Menschen durch Macht subjektiviert werden (zum Subjekt werden). Bildung ist durchdrungen von Macht und Herrschaft und hat somit subjektivierende Effekte: Lernen bedeutet, gewisse kulturelle Ordnungen und soziale Zuschreibungen zu verinnerlichen und diese durch die diskursive und körperliche Anwendung dieses Wissens zu produzieren. Zum Beispiel: Was ist und wie bewegt sich ein:e Frau/Mann/Migrant:in/Student:in/Arbeiter:in etc. oder was ist Natur/Stadt? Wie verhalte ich mich im Wald oder auf dem Bahnhofsgleis oder auf dem Konzert?
Verlernen nun bezeichnet den Prozess, Bildungspraktiken in dieser Qualität reflektierbar zu machen. Verlernen bedingt die Einsicht, dass Lernen immer ein Produkt machtvoller Verhältnisse ist. 
Weitere Facetten der Methodik des Verlernens sind dekonstruktivistische Analysestrategien des ‹defamiliarizings›, ‹decenterings› und des ‹epistemischen Ungehorsams›, wie sie sowohl in postkolonialen als auch feministische Theorien zur Anwendung kommen. Immer geht es darum, Gewohntes und Alltägliches in seiner Unhinterfragbarkeit und Normalität radikal zu hinterfragen


Literatur:  

do Mar Castro Varela, María (2017): (Un-)Wissen. Verlernen als komplexer Lernprozess. In: Migrazine 1.  https://www.migrazine.at/artikel/un-wissen-verlernen-als-komplexer-lernprozess Aufgerufen am 14.09.2024.

Sternfeld, Nora (2014): Verlernen vermitteln. In: Andrea Sabisch u. a. (Hg.): Kunstpädagogische Positionen 30. Hamburg.

Spivak, Gayatri Chakravorty (1996): The Spivak Reader. Hg. v. Landry, Donna u. Gerald Maclean. New York/London.
 
Alle Glossar Einträge


Dieser Begriff wird verhandelt in folgenden Beiträgen:

Queere Pädagogik Landschaftsästhetik