(Un)Sichtbarkeit



Sichtbarkeit war in den letzten Jahrzehnten ein wichtiges Thema sozialer Bewegungen und deren Forderung nach politischer Repräsentanz in der öffentlichen Sphäre. Dennoch sind Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit nicht bloss einfache Gegensätze, sondern stehen in einem dynamischen Wechselspiel zueinander und werden innerhalb hegemonialer Strukturen von Wissen und Macht hervorgebracht. Sichtbarkeit entsteht also immer in einem Kontext gesellschaftlicher Normen und kann nicht isoliert von Machtverhältnissen betrachtet werden. Mehr Sichtbarkeit führt nicht automatisch zu mehr politischer Macht und gesellschaftlicher Anerkennung, kann aber durchaus öffentlicher Ausdruck davon sein. Aus der Perspektive emanzipatorischer politischer Praxis kann es insofern nicht das Ziel sein, Sichtbarkeit schlichtweg quantitativ zu erhöhen, sondern qualitativ-transformative Repräsentationen zu schaffen. Dies auch aus dem Grund, dass ‹mehr Sichtbarkeit› gerade marginalisierter Personen oder Positionen zunächst bedeutet, sich den hegemonialen Repräsentationsmustern zu unterwerfen, um diese zu erlangen. Diese Praxis der Sichtbarmachung führt jedoch häufig dazu, dass die Minorisierung affirmiert wird, indem kulturalisierte Qualitäten oder äussere Erscheinungsmerkmale zur problematischen Differenz erklärt und damit bestehende diskriminierende Bedingungen aufrechterhalten und naturalisiert werden. Die Rahmenbedingungen der Sichtbarkeit sollten daher eine ermächtigende Ausrichtung haben.


Literatur:  

Hall, Stuart (1997): The spectacle of the ‹other›. Representation: Cultural representations and signifying practices 7.

Schade, Sigrid/Silke Wenk (2011): Repräsentationskritik und Politiken der Sichtbarmachung. In: Dies. (Hg.): Studien zur visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld. Bielefeld, 104-120.

Sturken, Marita/Lisa Cartwright (2001): Spectatorship, Power, and Knowledge. In: Dies. (Hg.): Practices of Looking: An Intro-duction to Visual Culture. Oxford u. a., 72-109.

Schaffer, Johanna (2008): Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen Strukturen der Anerkennung. Bielefeld.
 
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Dieser Begriff wird verhandelt in folgenden Beiträgen:

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