Podcast 1. Teil «Musik und Gender: Harmonie oder Dissonanz?»




Podcast 2. Teil «Klangpolitik»




Abb. 1 ©️ MfW-Fototeam     
                



Abb. 2 ©️ MfW-Fototeam




Ajla ParatusicReflexion zum Podcast:
Klangpolitik. Eine feministische Perspektive auf staatliche Kulturförderung


Abstract
Der Podcast, der im Rahmen des Masterstudienprojektes mit meiner Kommilitonin Julia Merz entstand, besteht aus drei Teilen. Der erste Teil, «Musik und Gender: Harmonie oder Dissonanz?», stellt den Nexus von Öffentlichkeit, Musik und Gender vor. Heutige Ansätze zur Kulturförderung sind diversifizierter, jedoch bestehen weiterhin strukturelle Ungleichheiten, besonders für FINTA-Personen, die oft geringere Fördermittel beantragen und erhalten. Der Verein Helvetiarockt setzt sich mit Workshops und Netzwerkarbeit dafür ein, Musiker:innen gezielt zu fördern und bestehende Ungleichheiten zu reduzieren. Helvetiarockt konstruiert und nutzt dabei eine feministische Öffentlichkeit zur Förderung von FINTA-Personen in der Schweizer Musikszene. Trotz Bemühungen um mehr Diversität und Teilhabe bleibt die gerechte Vergütung und die strukturelle Ungleichheit für FINTA-Personen im Musikbereich eine grosse Herausforderung.
Der von mir allein erarbeitete Podcast «Klangpolitik» beschäftigt sich vertieft mit dem Verhältnis zwischen staatlicher Kulturförderung und Musikszene in der Schweiz sowie mit den Widersprüchen der Frauenförderung.



Keywords
#Kulturförderung #Populäre Musik #Staat #feministische Öffentlichkeiten #Frauennetzwerke  


Zitiervorschlag:

Paratusic, Ajla (2024): «Reflexion zum Podcast: Klangpolitik. Eine feministische Perspektive auf staatliche Kulturförderung.» In: Chakkalakal, Silvy/Schmid, Milena/Andrea-Luca Bossard (Hg.): New Publics. Ästhetisch-kollaborative Vernetzungen zwischen Wissenschaften und Öffentlichkeiten. URL: https://new-publics.ch/paratusic



Musik und Gender: Harmonie oder Dissonanz? Im ersten Teil unserer Podcast-Reihe widmen wir uns dem Thema «Musik und Gender». In der Schweiz ist die Unterrepräsentation von FINTA-Personen in der Musik erschreckend.[1] Dieser Teil des Podcast bietet einen ersten Einblick in die theoretische Konzeption der gemeinsamen Forschung mit meiner Kommilitonin Julia Merz und fokussiert auf folgende Fragestellung: Wie und welche Öffentlichkeiten werden durch diese Schnittstelle bei Helvetiarockt gebildet bzw. kommen mit Helvetiarockt in Berührung? Wie beeinflussen sie sich gegenseitig?  

In unserem Studienprojekt haben wir uns zu Beginn mit unterschiedlichen Öffentlichkeitskonzepten auseinandergesetzt. Die Geograf:innen Lynn A. Staehli, Caroline R. Nagel und Don Mitchell (2009) sprechen von mehreren Öffentlichkeiten, die unterschiedliche räumliche Ausdehnungen und politische Kontexte haben können. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Idee multipler und pluraler Gruppenidentitäten. Als wir uns weiter mit Öffentlichkeiten im Hinblick auf feministische Theorien beschäftigten, haben wir gemerkt, dass wir uns in einem Feld der feministischen Öffentlichkeiten bewegen. Wir beschäftigten uns mit dem Konzept von Öffentlichkeiten wie es die Kommunikationswissenschaftlerin Brigitte Geiger (2003) erforscht und welches auf Nancy Frasers Idee subalterner Öffentlichkeiten aufbaut. Fraser (2001, 132) sieht subalterne Öffentlichkeiten als Basis sozialer Bewegungen, die neue Sichtweisen und Begriffe für die eigene Situation entwickeln, während sie parallel zur dominanten Öffentlichkeit existieren. Geiger erweitert dies zu emanzipatorischen Frauenöffentlichkeiten, die seit den 1970er Jahren Geschlechtergrenzen verschieben und Gleichheit fördern (Geiger 2003, 82-84). Unser Hauptziel war es, ein Bewusstsein für die Problematik der Unterrepräsentation von FINTA-Personen in der Musikindustrie zu schaffen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie Organisationen wie Helvetiarockt sich aktiv gegen dieses Ungleichgewicht einsetzen.  

So soll der erste Teil des Podcast die Hörer:innen in das Thema einführen und die Relevanz von Sichtbarkeitsstrategien in der Musikszene erläutern. Gleichzeitig möchten wir auch aufzeigen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Sichtbarkeit und politischer Macht gibt, da affirmative Sichtbarkeit oft paradoxerweise Minderheiten hervorhebt, reproduziert und als natürlich darstellt (vgl. Wuhrer 2021). Umso wichtiger ist es diese Paradoxien und den Prozess, innerhalb dessen sich diese Studie befindet, zu analysieren und auszuhalten. Es ist essenziell, eine reflexive Praxis der Repräsentation zu pflegen, die nicht nur darauf abzielt, die Sichtbarkeit zu erhöhen, sondern auch die strukturellen Bedingungen zu transformieren, unter denen diese Sichtbarkeit überhaupt existiert (ebd., 3; 11). 



Klangpolitik – Eine feministische Perspektive auf staatliche Kulturförderung In meiner Vertiefung des Masterstudienprojekts habe ich mich mit dem Verhältnis zwischen staatlicher Kulturförderung und der Musikszene in der Schweiz auseinandergesetzt. Der zweite Teil der Podcast-Reihe konzentriert sich insbesondere auf die staatliche Unterstützung von Musik und beleuchtet die Herausforderungen, denen FINTA-Personen in diesem Kontext begegnen und in welchem Verhältnis der Staat und die populärkulturelle Musikpraxis stehen. Die Fragestellung, die mich hier interessiert, lautet wie folgt: Inwiefern agiert Helvetiarockt als Institution zwischen Wissenschaft, feministischer Öffentlichkeit und der (populär)kulturellen Musikpraxis in Bezug auf die strukturellen Ungleichheiten bzw. die kulturelle Gestaltung von Geschlechtergleichstellung und Diversität?  

Helvetiarockt erkennt und adressiert strukturelle Ungleichheiten in der Musikbranche, die oft durch tief verwurzelte, gesellschaftliche und rechtliche Normen verstärkt werden. Der Aspekt der Vernetzung spielt bei Helvetiarockt in verschiedenen Bereichen eine grosse Rolle. Einerseits vernetzt Helvetiarockt als Verein Populärmusik, Staat, feministische Öffentlichkeit und Wissenschaft. Ihr Wissen beruht dabei auf wissenschaftlichen Studien. Praxisnah möchten sie aber mit ihren Angeboten im MusicLab oder auch der Plattform musicdircetory.ch Musiker:innen vernetzen (Helvetiarockt 2024). 

Die Ursachen für die vorherrschenden Ungleichheiten sind strukturell verankert. Wie die Entstehung der strukturellen Ungleichheiten an FINTA-Personen aussieht oder auch wie gesellschaftlich verinnerlichte Stereotypen und Geschlechterrollen Erwartungen über das Verhalten von Frauen und Männern schaffen, werden in der Forschung des Psychologen Thomas Ecke (2004) zu Geschlechterstereotypen untersucht. Auch die Diskussionen über den Zusammenhang und die Verstrickung privater und öffentlicher Räume sowie deren Zugänglichkeit wie sie der Soziologe Mike Laufenberg (2022) in seinem Beitrag Queere Theorien im Strukturwandel von Öffentlichkeit und Privatheit aufgreift oder auch die Auswahl von Veranstaltungsorten für Musikevents als ausschliessende Praktiken wie die Musikwissenschaftlerin Sheila Whiteley sie in ihrer Arbeit zu Sexing the Groove – Popular Music and Gender herausarbeitet, sind von hoher Bedeutung (siehe  «Zukünftiger feministischer (Frei)Raum?» von Kim Aishya Nüesch sowie  «Reflexion zum Podcast: Awareness-Boom. Zur Prävention von sexualisierter Gewalt an Musikfestivals.» von Julia Merz). Kathy Bajaria von Helvetiarockt betont die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Umdenkens bezüglich struktureller Ungleichheiten in der Musikbranche (Interview mit Kathy Bajaria 2024). Dies geht über die blosse Sichtbarkeit hinaus und erfordert eine umfassendere Diskussion darüber, wie eine gerechtere Gesellschaft aussehen könnte, die Raum für diverse künstlerische Ausdrucksformen schafft. Wie sich bereits im ersten Teil der Podcast-Reihe herausstellte, endet der Prozess nicht mit blosser Sichtbarmachung. Es ist vielmehr ein fortlaufender Prozess des Aushandelns und Abwägens, welche Bilder und Narrative reproduziert werden, wenn Sichtbarkeit geschaffen wird. Sichtbarmachung allein genügt nicht, um die Unterrepräsentation von FINTA-Personen zu überwinden. Das Verhältnis zwischen Staat und Populärkultur in der Schweiz kann anhand der Überlegungen des Empirischen Kulturwissenschaftlers Moritz Ege (2018) verdeutlicht werden. Ege nutzt Pierre Bourdieus Konzept der ‹linken› und ‹rechten› Hand des Staates, um die unterschiedlichen Einflüsse staatlicher Institutionen auf die Populärkultur zu erklären. Ege zeigt dabei auf, dass beide Seiten des Staates die Populärkultur beeinflussen können. Der Staat und die Populärkultur werden hier nicht einfach als getrennte Einheiten, sondern als in einer wechselseitigen und dynamischen Beziehung zueinanderstehend betrachtet.  



Formatüberlegungen Das Format des Podcast eignet sich gut für diese Arbeit. In einem auditiven Format können Musik und Hintergrundgeräusche integriert werden, die zur atmosphärischen Einbettung des Themas beitragen. Atmosphäre meinen wir hier auch in einem analytischen Sinne, die bestimmte kulturelle Logiken des zu untersuchten Phänomens überhaupt mit formieren. Der Einstieg des ersten Podcast ist so konzipiert, dass er für eine breite Zielgruppe anschlussfähig ist. Um das theoretische Konzept verständlich zu vermitteln und es gleichzeitig mit Helvetiarockt zu verbinden, haben wir uns entschieden es als Dialog zu gestalten. Diese dialogische Struktur ermöglichte es uns, Theorie und Praxis Schritt für Schritt zu verknüpfen. Der Dialog bietet ebenfalls den Vorteil, die wissenschaftlichen Inhalte dynamisch und zugänglich zu vermitteln. Unser zuweilen fragender und forschender Gesprächsstil erlaubt es, theoretische Konzepte anschaulich und leicht verständlich zu erklären sowie diese durch persönliche Beispiele zu illustrieren. Während der Produktion standen wir jedoch vor der Herausforderung, theoretisch komplexe Inhalte prägnant und verständlich innerhalb von 15 Minuten zu vermitteln, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Die Sprache fürs Hören unterscheidet sich wesentlich von der fürs Lesen. Daher mussten wir sorgfältig überlegen, wie wir die Komplexität der Inhalte so aufbereiten können, dass sie auch mündlich verständlich bleibt. Ein Podcast bietet die einzigartige Möglichkeit, verschiedene Stimmen und Originaltöne einzubinden, was eine lebendige und unmittelbare Darstellung der Thematik ermöglicht. Dennoch kann dies auch eine Herausforderung darstellen, da zu viele unterschiedliche Namen und Perspektiven möglicherweise schwer einzuordnen sind, wenn sie nur gehört werden. Die Forschenden Eden Kinkaid, Kelsey Emard und Nari Senanayake (2019) schreiben in ihrem Beitrag «The Podcast-as-Method?»: Critical Reflections on Using Podcasts to Produce Geographic Knowledge, dass Podcasts die Möglichkeit bieten, die Beziehungen zwischen Forschenden, Forschungssubjekten und akademischen Zuhörer:innen neu zu definieren, indem sie affektive, polyvokale und dialogische Register nutzen und Autoritätsverhältnisse neu ordnen, was demokratische Dialoge fördert und zu sozialen Veränderungsprojekten über die Akademie hinaus beiträgt. Durch ihre zugängliche Sprache und einfache Verbreitung können Podcasts ein breiteres Publikum ansprechen und unterrepräsentierte Gruppen einbeziehen, was besonders in der Auseinandersetzung mit umstrittenen Themen relevant ist.  



Endnoten:

[1] Helvetiarockt. Aufgerufen am 11.06.2024.


Literatur:

Eckes, Thomas (2004): Geschlechterstereotype. Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In: Ruth  Becker u. a. (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden, 165-176.

Kinkaid, Eden u. a. (2019): The Podcast-as-Method? Critical Reflections on Using Podcasts to Produce Geographic Knowledge. In: Geographical Review 110, 78-91.

Fraser, Nancy (2001): Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaates. Frankfurt u. a.

Geiger, Brigitte (2003): Feministische Öffentlichkeiten. Ansätze, Strukturen und aktuelle Herausforderungen. In: Dorer, Johanna/Brigitte Geiger (Hg.): Feministische Kommunikations- und Medienwissenschaft. Ansätze, Befunde und Perspektiven der Aktuellen Entwicklung. Wiesbaden, 80-97.

Laufenberg, Mike (2022): Queere Theorien im Strukturwandel von Öffentlichkeit und Privatheit. In: Günter Burkart u. a. (Hg.): Privat – öffentlich – politisch. Gesellschaftstheorien in feministischer Perspektive. Wiesbaden, 345–371.

Staeheli, Lynn A. u. a. (2009): Making Publics. Immigrants, Regimes of Publicity and Entry to ‹the Public›. Environment and planning. In: Society and Space 27/4, 633-648.  

Whiteley, Sheila (Hg.) (2013): Sexing the Groove. Popular Music and Gender. New York.

Wuhrer, BereNike (2021): Sichtbarkeit, Geschlecht und Popmusik. Ein theoretischer Transfer kritischer Sichtbarkeits- und Anerkennungskonzepte von der visuellen zur auditiven Kultur. In: Online-Publikationen der Gesellschaft für Popularmusikforschung 19, 1-21.




Abbildungs- und Materialverzeichnis:

Abb. 1 ©MfW-Fototeam                      

Abb. 2 ©MfW-Fototeam

Interview Kathy Bajaria vom 17.04.2024 in Bern.  



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